Die uralten Hünengräber in weiten Heiden oder stillen Wäldern haben Forscher und Maler schon seit langer Zeit angezogen. Die meistens in Feldern oder an Weg- und Strassenrändern stehenden, weniger auffallenden mittelalterlichen hier behandelten Denkmale sind viel länger unbeachtet geblieben; sie haben Forscher erst seit etwa 140 Jahren beschäftigt. Dafür aber hat das Volk sie mit Sagen und Erzählungen von Mordtaten und Unglücksfällen, von Seuchen und Kriegsnöten umwoben. Abergläubischer Furcht ist es sicher zu danken, daß uns verhältnismässig viele Stücke erhalten geblieben sind. Nachweisbar sind manche Steine, zu Nutzzwecken entfernt und verwendet, später wieder an ihren ehemaligen Standort zurückgebracht, weil Unglücksfälle im Hause oder Mißstände in der Wirtschaft ihnen zugeschoben wurden. Das europäische Verbreitungsgebiet der in Frage kommenden Steine erstreckt sich von Norditalien durch Mittel- und Nordeuropa bis nach Skandinavien und den Britischen Inseln. Sie sind überall anzutreffen, wo Germanen dauernd oder vorübergehend seßhaft gewesen sind. Die Gesamtzahl der bekannten Denkmale geht über 3000 hinaus. Im Flecken Salzhemmendorf sind sechs solcher Steine erhalten geblieben. (Die mittelalterlichen Steinkreuze : Kreuz- und Denksteine in Niedersachsen, Adolf Hoffmann, 1935)
Das Scheibenkreuz von Salzhemmendorf
von Werner Müller
Zu den wenigen Scheibenkreuzen, die Hinweis über die Entstehungszeit und über die Setzungsabsicht geben, gehört das Salzhemmendorfer Scheibenkreuz. Die beschädigte Vorderseite der Scheibe zeigt auf vertieftem Grund eine Kreuzigungsszene: Christus zwischen Maria und Johannes. Der Scheibenrand trägt eingetiefte Schriftzeichen. Die meisten von ihnen sind nicht mehr zu lesen, da auch die Kante stellenweise abgeschlagen ist.
Nach Barner lautet der Text :
Anno Dni MCCCXCVII ….. c‘aia … ae
Er ergänzt ihn so :
… cujus anima requiescat in pace, amen
(1397 – … dessen Seele in Frieden ruhen möge, amen)
Auf dem Schaft des Denkmals sind ein Hammer und eine Zange abgebildet. Beides sind Handwerkszeichen eines Schmiedes. Damit ist ein Hinweis über den Berufsstand des Toten gegeben. Es bleibt bei diesem Denkmal die Frage offen, ob wir es hier mit einem Grabstein oder mit einem Sühnemal für einen Schmied zu tun haben. Der primäre Standort des Steines, der einen Hinweis geben könnte, ist nicht eindeutig geklärt. Der Stein soll an der Eggerser Straße gestanden haben, bis er 1927 an der Kirche aufgestellt worden ist. Zwischen den Handwerkszeichen ist gerade noch ein knieender Adorant auszumachen. Der Sandstein ist leider schon so stark angegriffen, daß diese nur leicht eingerillte Zeichnung bei der leisesten Berührung abbröselt. Die Rückseite des Steines zeigt ein nasenbesetztes gotisches Scheibenkreuz, das nahtlos in den Scheibenrand übergeht. Eine Reihe scharfer Schleifrillen, wie man sie sonst auch an den Außenwänden einiger Kirchen sieht, durchzieht die Rückseite. Der Volksmund bringt den Stein mit zwei Sagen in Zusammenhang:
Sage 1 : Ein Wanderbursche erschlug seinen Weggefährten um einen geringen Gewinn.
Sage 2 : Ein Schlosser erschlug im Zorn seinen Gesellen auf dem Eggerser Weg.
Die Moritat vom Jungfernstein
(Nach einer alten Sage)
Im Ith, im Weserbergland, da steht am Steige ein Stein;
Manch Wand´rer, der kommt des Weges, hält seinen Schritt dort ein.
Er weiss nicht was sich zutrug, in der „guten“, alten Zeit;
Als hart das Schicksal zuschlug, für eine junge Maid.
Der Dorfschmied war´s von Bremke, der sprach zu seinem Kind:
„Ach, sei so gut und gehe mal über den Berg geschwind.
Von dort hol´ mir die Nägel, daran es mir gebricht.
Im dunklen, grünen Walde, da fürchte Dich man nicht !“
Das Kind tat wie geheißen, es hat zu tragen schwer,
Gar müde stieg´s den Berg hinan, ging seines Weg´s daher.
Im kühlen Waldesschatten, da ruhte es sich mal aus,
Und wie so Kinder sind, kramt es die Nägel aus.
Der helle Klang des Eisens weit durch den Wald erklang,
Wie schön ist doch so kindlich Spiel, dem Mädchen war nicht bang´.
Doch hinter einer Buche ein finst´rer Mann verhält.
Er denkt in seinem Sinne : Das Mädchen dort zählt Geld !
Drauf hat er es überfallen, tot lag es in seinem Blut.
Der Bösewicht wurde gefangen, ihm tat die Strafe nicht gut.
Bald setzten fromme Leute an diesem wald´gen Ort
Ein Kreuz, aus Stein gehauen, zur Erinnerung an den Mord.
Es kamen die Jahrzehnte so langsam ins Land herein,
Am Kreuz da nagte der Zahn der Zeit, es blieb ein Winkelstein.
Manch´ Wandrer, die dort machten Rast, und schliefen dabei ein,
Die sahen dort im Traume ein weisses Mägdelein.
Im Original im Ith geschrieben
im Jahre 1948
Arnold Braun
Die Steinkreuze von Hemmendorf
Der oben abgebildete rechteckige Kreuzstein steht am Südwestrande von Hemmendorf, wo sich die Landstrasse, rechts nach Lauenstein, links nach Salzhemmendorf führend, teilt. Er ist auf einem kleinen Rasendreieck unter Bäumen aufgerichtet. Auf seiner Vorderfläche wächst aus einem halbkreisförmigen Bogen ein am Stamm und Armen mit gotischen Nasen besetztes Kreuz empor, das von einem den ganzen Stein einfassenden Schriftbande umgeben ist. Die eingehauene gotische Minuskelinschrift ist leider so verwittert, daß nur : „M.CCCXCI…occisus hogerus“, d.h. „1391 ist Hogerus getötet worden“, zu lesen ist. Des Steines Rückseite ist roh behauen und trägt im Kreise ein einfaches Kreuz auf vertieftem Grunde.
Mitten im Flecken Hemmendorf war früher an der Strassengabelung ein scheibenförmiger Kreuzstein, ebenfalls der Feldmark entnommen, aufgestellt. Vorder- und Rückseite zeigen im Kreise je ein durch Vertiefung der Kreisteilflächen kräftig herausgehobenes Kreuz, in dessen Querbalken auf der Vorderseite noch einige, nicht mehr sicher zu deutende Buchstaben zu erkennen sind. Unter dem Hauptkreuze der Vorderseite sind auf dem oberen Fußteile noch zwei kleine gleicharmige Kreuze in Kreisen, genau wie das Hauptkreuz hergestellt, angebracht. Hemmendorf war der Treffpunkt für die nach dem Kloster Marienau, das um 1316 gegründet sein soll, ziehenden Wallfahrer. Dieser Stein befindet sich heute auf dem Hemmendorfer Friedhof.
Der Mordstein von Lauenstein
Ein einfacher plattenförmiger Kreuzstein aus Kalkstein, mit Kreuz auf beiden Seiten ist, einem benachbarten Felde entnommen, in der Nähe des Gutes Spiegelberg bei Lauenstein aufgerichtet. Wo der Weg nach Hemmendorf bzw. Salzhemmendorf sich teilt, steht er heute hinter dem Bahnübergang im Schatten einer alten Linde auf einem Hügel. Er wird der Mordstein genannt.
Der Sühnestein von Benstorf
Der Kreuzstein, der gegen Ende des 20. Jahrhunderts an die Benstorfer Thie-Linde versetzt wurde, hat vorher an der B1 in Richtung Oldendorf an der rechten Seite der Fahrbahn bei den letzten Häusern gestanden. Davor hat er sicherlich noch einen anderen Platz gehabt, wo, konnten ältere Ortseinwohner nicht angeben. Bemerkenswert sind oben auf der beschädigten und verwitterten Fläche drei in einer Linie in gleichem Abstande voneinander eingebohrte und auch ausgewitterte Löcher . Sollten sie vielleicht zur Aufnahme von Weihkerzen bestimmt gewesen sein, wenn die Pilger nach dem benachbarten Marienau gezogen sind ?
Der Sühnestein im Lauensteiner Kirchturm
Im Frühjahr 1975 entdeckte ich im Gewände der Westseite des Turmes der Pfarrkirche Lauenstein zwei Teile eines bis dahin nicht erkannten Kreuzsteines, die als Einfassung eines schießschartenähnlichen Fensters verwendet worden sind. Die Ritzzeichnung auf dem einen – kopfstehenden – Teil ist nur wenig deutlich erkennbar; denn die Steinoberfläche ist nicht im originalen Zustand, sondern vor der Zweitverwendung mit dem Spitzeisen oder der Fläche mehr oder weniger abgearbeitet worden. In den Zwickeln der drei oberen Kreuzarme sind noch gerade die Fragmente zweier geschweifter und zu einem Kreis sich schließender Eckstücke erkennbar; dieser Kreis dürfte die Kreuzarme im Sinne eines Scheibenkreuzes umfaßt haben. Die zwei horizontalen Kreuzarme haben durch die Überarbeitung ihre originale Kontur ( Verbreiterung nach außen hin ) verloren. Eine Datierung ist sehr schwer, da dieses Kreuzmotiv vom 11. bis ins 16. Jahrhundert in verschiedenen Variationen wiederkehrt. Zumindest ist er älter als der jetzige Turmbau von 1513. Daß ein Kreuzstein – ein Sühnestein für eine Bluttat – weggenommen, zweckentfremdet und vor der Neuverwendung abgearbeitet wird, ist angesichts der Glaubenswelt und der Rechtsauffassung des Mittelalters und der ihr folgenden Zeit nicht unbedingt alltäglich. Mündliche oder schriftliche Überlieferungen sind in diesem Fall nicht überkommen. (Ulrich Baum)
Der Kreuzstein bei der Domäne Eggersen
Bei der Domäne Eggersen im alten Amt Lauenstein liegt ein fruchtbarer Wiesenplan, die Kreuzmasch. Hier trafen sich einstmals zwei Ritter von dem benachbarten Spiegelberg, um einen Meinungsstreit mit Waffen auszufechten. Wütend hieben die unversönlichen Kämpen aufeinander los. Keiner wollte weichen, bis endlich beide, vom Kampfe ermattet und aus zahlreichen Wunden blutend, niedersanken. Als abends die Sonne blutrot hinter dem Lauensteiner berg unterging, hatte keiner von ihnen, sondern nur der Tod über beide gesiegt. Zum Andenken an das unglückliche Duell errichtete man auf dem Kampfplatz einen Kreuzstein, mannshoch und von ziemlichen Umfang. Einem späteren Herrn auf Eggersen stand dieser Kreuzstein aber im Wege.
Er ordnete daher an, das unansehnliche Denkmal zu entfernen. Arbeiter gruben den Stein aus, und ein Ochse mußte ihn an einer Kette durch die Wiese bis an den Saalebach schleifen. Als an diesem Tage die Abendsonne hinter dem Ith versunken war und die Mitternacht herankam, wurden die Gutsleute im ersten Schlafe gestört. Die Hunde schlugen immer heftiger an, sie brachen in Heulen aus und ließen sich nicht beruhigen. Die Rinder im Stall brüllten laut und stießen mit den Hörnern an die Raufen; die Pferde klirrten mit den Ketten, keilten aus oder wälzten sich unruhig auf ihrer Streu. Auch die Schafe drängten in ihren Hürden hin und her und blökten jämmerlich. Dabei war nirgends etwas zu sehen ! Eine ganze Stunde dauerte diese Unruhe. In der nächsten Nacht wiederholte sich dasselbe, und so ging es fort.
Eines Tages trat der alte Schäfer vor seinen Herrn hin und riet ihm, den Kreuzstein an seinen alten Platz zu bringen. Anfangs hatte der Herr nur ein Lächeln für den Rat übrig, willigte dann aber doch ein. Sobald der Kreuzstein am alten Orte stand, zog die gewohnte Ruhe auf Eggersen wieder ein. (Was aus diesem Kreuzstein geworden ist, ist nicht bekannt. Heute sind keine Überreste mehr davon erhalten.)