In der Stiftungsurkunde des Michaelisklosters zu Hildesheim durch Bischof Bernward vom 1. November 1022 wird der Ort Swalenhusen – später Salzhemmendorf – erstmalig genannt. Dieser Name läßt auf eine schon bekannte Salzgewinnung aus den dort vorhandenen Solequellen schließen. Die nachweislich ältesten Salzwerksanteile waren im Besitz der Bischöfe von Hildesheim (um 1130), später der Äbte von Corvey und der Grafen von Spiegelberg.
Salzwerksanteile waren zu der Zeit sowohl Grundbesitz (Kothen mit Solerecht) als auch Zehnten an der Saline (Sole oder Salz). Ein „Koth“ war ein Salzsiedehaus. Es bestand aus einem Raum zum Schüren (die Küche), der Siedestube mit der Pfanne (10 – 15 Fuß Länge und Breite, Höhe = 13 – 14 Zoll), einer sehr kleinen Trockenkammer und einer „Budde“ (Sammelbehälter) zur Aufnahme der Sole. Ein über der Pfanne angebrachter „Brodenfang“ ragte aus dem Dach heraus. Bis zum Jahre 1786 gab es insgesamt 12 Kothe, davon waren 3 im Besitz der Landesherrschaft. Die restlichen 9 gehörten der Salzgewerkschaft.
Ein „Salzgewerk“ war das verbriefte Recht, für die einzelnen Kothe zeitlich an festgelegten Tagen und mengenmäßig begrenzt Sole zu schöpfen. Ein Gewerk beinhaltete -je nach Salzgehalt- mindestens 100 Eimer Sole, die 6 Zentner zu je 112 Pfund Salz bringen sollten. Die Eimer hatten ein Volumen von 19,155 Litern. Dieses Tagesrecht für ein Gewerk konnte auch geteilt werden. Wenn ein Vater drei Kinder hatte, so konnte er, wenn er „einen Tag Salzgewerk“ besaß, jedem Kind 1/3 Gewerk vererben.
Die Kontrolle über die Nutzung der Salzgewerke (Förderung und Verteilung der Sole) oblag dem Brunnenmeister. Für die Soleförderung mittels Wippe in Eimern und ab 1824 mit Handpumpen standen bis 1837 drei Brunnen zur Verfügung. Es war genau festgelegt, in welchem Umfang (zeitlich und mengenmäßig) und aus welchem Brunnen die einzelnen Kothe versorgt wurden. Im Jahre 1836 versucht man, durch eine Bohrung im Quellenbereich größere Mengen an Sole mit höherem Salzgehalt zu gewinnen. Der Versuch mißlang. Er führte sogar dazu, dass alle drei Quellen versiegten. Man erweiterte daraufhin das Bohrloch bis hinunter zur Kalksteinschicht zu einem Schacht. Die tiefergehende Bohrung wurde verstopft. So gelang es, die alte Sole mit etwas verstärktem Zufluß – jetzt aber nur noch in einem Brunnen -, wieder zurück zu gewinnen.
Die Namen dieser Kothen waren folgende :
Im herrschaftlichen Besitz :
- Ober-Koth
- Mittel-Koth
- Unter-Koth
Im Besitz der Salzgewerkschaft :
- Brende-Koth
- Griesenwalder-Koth
- Rats-Koth
- Wolter-Koth
- Bennecken-Koth
- Lauenober-Koth
- Rustenober-Koth
- Lauennieder-Koth
- Rustennieder-Koth
(Salzgewerkschaft = Zusammenschluß der privaten Eigentümer von Salzgewerken)
Zwischen den Salzsiedern der früheren Zeit und den Salzgewerksberechtigten hatte sich offenbar eine enge Beziehung ergeben, denn beide Seiten schätzten das „Weiße Gold“. So kam es zur Gründung der eigenständigen „Pfannen-Herren-Gilde“ mit festgeschriebenen Regeln, die aber mit einigen Artikeln erheblichen und dauerhaften Ärger auslösten. Abgesehen davon entwickelte die Pfännergilde eine nicht ertragbare Dominanz, die letztlich gesetzeswidrig wurde. Das alles führte am 24.4.1738 zum Verbot der Pfännergilde. Auch danach gab es insbesondere mit den Salzsiedern Ärger, der erst mit einer korrekten Verwaltung endete. In der Folge gab es für jeden Koth einen zuverlässigen Salzsieder, der vom Amt Lauenstein vereidigt wurde. Zum Sieden wurden die Pfannen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts generell mit Holz beheizt, zu dessen Beschaffung die Berechtigten selbst verpflichtet waren. Auch mußten sie den Salzsieder selbst bezahlen. Mit dem Abbau der Osterwalder Steinkohle wurden ab Ende des 16. Jahrhunderts die herrschaftlichen Kothe mit Kohle beheizt. Eine Umstellung bei den gewerkschaftlichen Kothen erfolgte schrittweise und begann erst im Jahre 1786. Für die rechtzeitige Lieferung der Kohle hatte der Salzgräfe zu sorgen. Für die Betriebskosten waren von da an je Gewerk 4 Taler zu zahlen.
Neben den Salzsiedern werden auch „Feuerböther“, „Holzeinträger“ und „Salzknechte“ erwähnt. Der Feuerböther hatte die Aufgabe „die Sole eines jeden Herrn gar zumachen.“ Ab 1835 wurde ein Siedemeister angestellt. Dessen Aufgabe war die Aufsicht über die Salzsieder, deren Aus- und Fortbildung sowie Hilfeleistungen bei Pfannenbruch oder Erkrankungen.
Die Verwaltung der Saline war insofern zweigeteilt, als die herrschaftlichen Anteile regierungsseitig durch den Salzfactor (Administrator) für sich bewirtschaftet und abgerechnet wurden. Bei nüchterner Bewertung der eingesehenen Dokumente war die wirtschaftliche Struktur und die Buchführung für die herrschaftlichen Anteile zielgerichtet und absolut korrekt. Das belegen bereits Abrechnungen für die Jahre 1563/64 und 1604/05. Für die Salzgewerkschaft dürfte das in vergleichbarer Weise erst dann geschehen sein, als fachlich geeignete Salzgräfen gewählt wurden. Für die Gewerkschaftsanteile war ein „Salzgräfe“ zuständig. Anfangs wurde der Salzgräfe der Gewerkschaft jährlich aus dem Kreis der Pfänner bestimmt (jeder kam an die Reihe). Da sich dies Verfahren wegen teilweise mangelnder Qualifikation nicht bewährte, wurde der Salzgräfe ab dem 17. Jahrhundert von der Gewerkschaft gewählt. Seine Amtszeit betrug ein Jahr mit der Möglichkeit der Wiederwahl. Ab dem 19. Jahrhundert erfolgte die Wahl auf unbestimmte Zeit. Ein Salzgräfe mußte vom Königlichen Finanzministerium bestätigt werden und wurde vom Amt Lauenstein vereidigt. Seine Arbeit wurde ab 27.9.1850 von der Salinenkommission kontrolliert. Dem Salzgräfen oblag die bauliche und technische Aufsicht aller Einrichtungen sowie die gesamte finanzielle Geschäftsabwicklung mit Betriebskosten- und Lohnabrechnung. Außerdem war er von 1829 (Einführung der Salzsteuer) bis zum 1.1.1866 Steuererheber für alle anfallenden Salzsteuern der Saline, die er monatlich mit der Königlichen Steuerverwaltung abrechnen mußte.
Der Verfasser der dieser Darstellung zu Grunde liegenden Schrift – Heinrich Albrecht – war der letzte Salzgräfe. Er nahm dieses Amt von 1842 bis zum 31.10.1867 wahr. Von diesem Tag an wurde er – aufgrund eines gegebenen Ehrenwortes und eigentlich gegen seinen Willen – Eigentümer der gesamten Einrichtungen. Die Salzgewinnung endete am 31.12.1872.
Diese Kurzdarstellung kann nicht alle Gegebenheiten enthalten. Für den wirklich Interessierten sind jedoch einige Details oder Antworten auf Fragen, von allgemeiner Bedeutung unverzichtbar.
In den Jahren von 1786 bis 1795 wurden durch Abbruch und Neubau zwecks jeweils gemeinsamer Betriebsführung folgende Kothe vereinigt :
- Brende-Koth / Griesenwalder-Koth als Neustein-Koth
(mit gleichzeitiger Steinkohlenbefeuerung) - Lauenober-Koth / Rustenober-Koth als Lauen-Rusten-Oberkoth
(ab 1825 mit Steinkohlenbefeuerung) - Lauennieder-Koth / Rustennieder-Koth als Lauen-Rusten-Niederkoth
(ab 1825 mit Steinkohlenbefeuerung) - Wolter-Koth / Bennecken-Koth als Wolter-Bennecken-Koth
(ab 1821 mit Steinkohlenbefeuerung) - Das Rats-Koth wurde ab 1809 mit Steinkohlen beheizt.
1. Standort der Saline
Beim Brand von 1824 fielen die drei herrschaftlichen Kothe dem Feuer zum Opfer. Deren Neubau zog sich bis 1833 hin. (Eine Zeichnung mit Seitenansichten und Grundriß liegt vor.) Alle Kothe müssen bis 1856 im Bereich des ersten Solebadehauses gestanden haben. Als man 1856 begann, auf dem „Kleinen Reuteranger“ einen neuen Salinenbetrieb zu errichten, wurde beschlossen, an der Stelle, wo das „Lauen-Rusten-Niederkoth“ stand, ein Badehaus mit 12 Wannen und den sonstigen erforderlichen Räumen zu bauen. Ein provisorischer aber erfolgreicher Badebetrieb bestand schon seit 1854 in einem kaltstehendem Koth. Das neue Badehaus wurde am 16.7.1856 mit seinem neu gestaltetem Vorplatz einschließlich Fontaine in Betrieb genommen. Dieser Vorplatz war bis dahin der Salinenplatz. Erster Badegast war Frl. Auguste Grünhagen aus Salzhemmendorf. Dieses Badehaus mit Vorplatz – wenn auch in etwas veränderter Form – existiert noch heute.
2. Produktionsmengen und Salzhandel
Wieviel Salz jährlich erzeugt werden konnte, hing entscheidend vom Zufluß und Salzgehalt der Sole ab. Bis 1836 lag die Jahresproduktion der Gesamtsaline (herrschaftlich und Gewerkschaft) bei kaum 11.000 Zentnern. Ab 1836 erhöhte sich aufgrund des Bohrungsschachtes der Solezufluß und damit auch die Jahresproduktion. Genaue Mengenaufzeichnungen für insgesamt verkauftes Salz lagen nur für die Zeit vom 1.1.1830 bis 31.12.1872 vor. So wurden im Jahr 1846 stolze 16.171 Zentner Salz verkauft. Dies war ein einmaliges Spitzenergebnis. Die aufgrund der unwirtschaftlichen Salzproduktion notwendigen Preise und die Konkurrenz von produktionsstärkeren, preisgünstigeren Salinen – wie Bad Münder oder Egestorffshall – führten zu einem erheblichen Geschäftsrückgang. So wurden 1853 nur noch 6.923 Zentner und 1856 gar nur 3.112 Zentner Salz verkauft. Nach dem Bau der neuen Saline waren es noch einmal 5.855 Zentner. Danach ging es unaufhaltsam abwärts. Im Jahre 1872 waren es lediglich 2.785 Zentner.
Der Verkauf des Salzes oblag den Nutzungsberechtigten – also nicht der Salinenverwaltung. Sogenannte Salzfahrer und Salzträger waren die Aufkäufer, die ihre Ware wiederum auf eigene Rechnung vermarkteten. Der Salzmarkt war von jeher umkämpft. Im Jahre 1846 gab es immer noch etwa 20 Salzfuhrleute und 24 Salzträger. Natürlich wirkte sich der Rückgang des Salzhemmendorfer Salzhandels auch hier negativ aus.
3. Machtmißbrauch und mangelnde Einsicht verhinderten den Fortschritt
Ein Salzgewerksjahr begann am 1. Weihnachtstag und endete am 24.12. eines Jahres. Die jeweilige Landesherrschaft hatte nachweisbar seit dem 15. Jahrhundert das Recht, bei Beginn des Salzwerkjahres als erste mit der Salzproduktion anzufangen und zunächst 63 große Salzgewerke (Anteile) sowie 4 normale Werke (insgesamt 640 Zentner zu je 112 Pfund voll auszuschöpfen. Die Gewerkschaft hatte während dieser Zeit und darüber hinaus solange kein Siederecht, bis das herrschaftliche Salz verkauft war. Bis zum Jahre 1830 wurde einheitlich ein „leichtes Salz“ – d.h. kleinere Kristalle – gesiedet (Siedezeit = 24 Stunden für ein Gewerk). Danach begann die Landesherrschaft mit der Produktion von „Magazinsalz“ (Siedezeit = 3×24 Stunden für ein Gewerk). Es war grobkörniger und lagerfähiger, aber wegen der längeren Siedezeiten auch teurer. Der herrschaftliche Administrator entschied letztlich über das Wohlergehen der Salzsieder und Inhaber von Salzgewerksanteilen, die selber in der für den Salzverkauf günstigsten Jahreszeit (Schlachtezeit) zusehen mußten.
Im Jahre 1834 kam es zum „Aufstand“ der Salzfahrer und Salzsieder. Weil noch 100 Zentner des teuren herrschaftlichen Magazinsalzes unverkauft waren, lehnte der Administrator den Siedebeginn für die Gewerkschaft ab. Die Salzsieder begannen dennoch ihre Arbeit und drohten dem Administrator mit körperlicher Gewalt. Der Salzgräfe und der Magistrat verhinderten das – kluger Weise ließ sich der Administrator aber auch nicht öffentlich sehen.
Immerhin erreichte man, dass laut Verfügung des Finanzministeriums vom 4.12.1835 in Zukunft mit dem Salzsieden für die Gewerkschaft sofort im Anschluss an das „herrschaftliche Sieden“ begonnen werden konnte.
Mangelnde Einsicht zeigten aber auch die einzelnen Inhaber von Salzgewerken. Wenn z. B. „ihre Siedepfanne“ defekt war oder sie nicht rechtzeitig ihr Brennmaterial beschafft hatten (solange dafür Holz verwendet wurde), bestanden sie dennoch auf Einhaltung der Reihenfolge der Verteilung der Sole. Sie verzögerten lieber den Gesamtbetrieb, als in der Reihenfolge zu tauschen. Selbst als nach der Bohrung von 1836 und der damit verbundenen Umstellung auf nur noch einen Brunnen ein neues Statut geschaffen werden mußte (9.11.1837), änderte man den Verteilungsmodus nur unwesentlich. Mögliche technische Fortschritte – wie die Gradierung der Sole oder größere Pfannen – sowie eine rationellere Betriebsführung wurden durch die nach wie vor schwerfällige Verteilungsregelung verhindert.
4. Unerwarteter Besitzwechsel – endlich notwendige Veränderungen
Von Seiten des Administrators waren kreative Vorschläge zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit nicht zu erwarten, denn er war gegen jede Veränderung. So hatte er u.a. durch eine negative gutachterliche Stellungnahme ein Gesuch der Salzgewerkschaft auf pachtweise Uberlassung der herrschaftlichen Anteile zum Scheitern gebracht. Hingegen sah ein großer Teil der Salzgewerksinhaber ein, dass es so nicht weiter ging. Deshalb ersuchte man im Frühjahr 1850 durch ein neues Gesuch an das Finanzministerium, das diesmal vom ersten Beamten des Amtes Lauenstein mit seinem Gutachten direkt weitergegeben wurde, einer erbenzinslichen Verleihung der herrschaftlichen Anteile an die Gewerkschaft zuzustimmen. Überraschender Weise war die Königliche Regierung jetzt sogar bereit, ihre Anteile für 8.000 Taler zuzüglich bestehender Reallasten und Zinssalzverpflichtungen zu verkaufen. (Man verließ man hier das sinkende Schiff !) Am 27.9.1850 wurde der Kaufvertrag mit 125 Besitzern von Bürgerstellen in Salzhemmendorf – wovon einige bereits Salzgewerkseigentümer waren – und dem Mühlenbesitzer Mantels abgeschlossen. Im Kaufvertrag wurde folgende Haftung vereinbart: „Einer für alle, alle für einen !“ Die Bezahlung des Kaufpreises erfolgte termingemäß am 2.1.1851. Die Finanzierung des Kaufpreises erfolgte durch Kreditaufnahme seitens der Mitglieder der „Neuen Salzgewerkschaft“. Letztlich bestand die Darlehensforderung von 8.000 Talern jedoch ausschließlich zu Lasten der Gesamtsaline. Der Kauf des herrschaftlichen Salzwerkanteils machte eine Veränderung der bisherigen Statuten erforderlich. Das geschah am 29.7.1850 / 21.12.1850. Von nun an hatte der Salzgräfe die gesamte Saline zu verwalten und wurde der neu geschaffenen Salinenkommission unterstellt.
Frei von herrschaftlichen Zwängen wurden jetzt von der vergrößerten allein entscheidenden Salzgewerkschaft eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, um die Saline leistungsfähiger und damit auch wettbewerbsfähiger zu machen.
Als erstes sollte auf einem am 21.9.1851 vom Flecken Salzhemmendorf erworbenem Grundstück eine neue Bohrung durchgeführt werden, um gut gesättigte Sole zu gewinnen. Unter Zuhilfenahme des Geologen und Senators Römer aus Hildesheim und des Bergmeisters Hartleben aus Osterwald wurde entschieden, die Bohrung auf dem „Kleinen Reuteranger“ vorzunehmen. Dieser Standort sei auch gut zur Anlage einer neuen Saline geeignet. Im Sommer 1851 wurde ein 100 Fuß hoher Bohrturm errichtet und im November 1851 mit dem Bohren begonnen. Bei einer Tiefe von 745 Fuß trat 3 %ige Sole zutage, bei 1.042 Fuß stieg der Salzgehalt auf 10%. Bis zum September 1855 hatte man eine Tiefe von 1.502 Fuß erreicht. Der Salzgehalt der Sole lag bei 16 %. Ein ausgiebiges Steinsalzlager wurde aber erst bei ca. 2.300 Fuß Tiefe erwartet. Da die Bohrung von 1851 bis 1855 aber bereits 11.719 Taler, 13 ggr und 5 Pfennig gekostet hatte und die Anteilseigner nicht mehr bereit waren, weitere Finanzierungsmittel zur Verfügung zu stellen, sollte die gefundene halbgesättigte Sole zur Salzproduktion genutzt werden.
Man beschloß, die alten Salinengebäude im Flecken abzubrechen und auf dem „Kleinen Reuteranger“ wieder aufzubauen, eine kupferne Solepumpe anzuschaffen und mit der neuen Sole die Salzproduktion zu beginnen. (Die neue Saline entstand dort, wo heute von der Familie Appold – schon in der dritten Generation – eine Getreidemühle betrieben wird. Im Jahre 1939 kam die Familie Appold nach Salzhemmendorf und pachtete die dort bestehende Mühle. Deren Kauf erfolgte nach dem 2. Weltkrieg. Die Verkäuferin war eine Frau Lange, geborene Albrecht.)
Von der Altanlage sollte ein Koth, das „Lauen-Rusten-Oberkoth“ vorläufig weiter benutzt werden. (Dieses Koth wurde 1874 abgerissen und an gleicher Stelle das Kurhaus gebaut.)
Ebenso beschloß man, das schon erwähnte Badehaus zu bauen. Für diese Neuausrichtung des Salinenbetriebes waren neue Salzwerksstatuten zu errichten. Das geschah am 13.1 . – 8.3.1856. Mit diesem Statut wurden u.a. 400 gleichwertige Salinenanteile festgelegt und für jeden Anteil eine Urkunde gedruckt. Die §§ 4 und 5 des Statuts regeln die Verteilung der Anteilsurkunden. Nach Maßgabe der bisherigen Salzgewerksanteile erhielten die derzeitigen 119 Eigentümer (offenbar hatte eine Anzahl von „Altbesitzern“ aus Salzhemmendorf von den „Neubesitzern“ Anteile erwerben können und auch dürfen) insgesamt 345 Anteile mit den ausgelosten Urkunden, die von Nr. 1 – 400 durchnummeriert waren. Die restlichen 55 Anteile wurden zu einem Preis von je 25 Talern angeboten und an interessierte Mitglieder verlost und verkauft. Das noch vorliegende Verzeichnis gibt Auskunft über die damals bestandenen Eigentumsanteile.
5. Kam die Vernunft zu spät ? Falsche Einschätzung der Marktentwicklung ?
Alle Baumaßnahmen wurden zügig durchgeführt. Das neue Badehaus im alten Salinenbereich wurde am 16.7.1856 eröffnet. In der neuen Saline begann man am 15.9.1857 in der ersten Pfanne mit der Salzproduktion, da auch das Salzreservoirhaus fertiggestellt war. Die neue Saline bestand aus fünf Gebäuden und einer im Jahr 1858 von der städtischen Saline Bad Münder für 250 Taler erworbenen Gradieranlage, die am 10.11.1858 in Betrieb ging.
Ende 1858 lag die Schlußrechnung für alle Maßnahmen vor. Sie wurde am 15.3.1859 genehmigt. Die Verschuldung der Saline betrug zu der Zeit rund 15.130 Taler. Obwohl die Saline Liquiditätsprobleme hatte, wurde „zur besseren Ausnutzung der Wasserkunst“, die zum Betrieb der 1.490 Fuß langen kupfernen Solepumpe diente, auf dem Salinengelände für 1.530 Taler noch eine Sägemühle gebaut. Sie ging am 1. Juli 1859 in Betrieb.
Am 2.3.1866 berichtet der Salzgräfe dem Amt Lauenstein u.a. folgendes :
„Auf dem Gelände der neuen Saline sind folgende Gebäude vorhanden:
- Salzmagazin
- 2 Siedehäuser
- 1 Brunnenhaus mit Solehebevorrichtung,
- Solebudden, 3 Druckpumpen
- 1 Schuppen
- 1 Gradierhaus
- 1 Sägemühle
- 1 Bittersalzsiederei
- 1 Wasserkunst (Wasserrad) für den Betrieb der Pumpen für die Sole und die Sägemühle“
Den Schuldenstand gibt er per Ende 1865 mit rund 11.600 Talern an.
Der Gedanke, sich so umzustrukturieren, war sicher richtig. Nur hätte man mehr Eigenkapital haben müssen. Hatte man aber auch die Marktentwicklung und den technischen Fortschritt richtig eingeschätzt ? Wohl kaum !
Die neue Saline ließ nur eine jährliche Salzproduktion von höchstens 8.000 Zentnern zu. Andere Salinen hatten höhere Produktionsleistungen bzw. verkauften günstiger und hatten bereits Salzhemmendorfer Marktgebiete erobert. Das schlimmste aber war ganz sicher die geringe Liquidität. So drohte schon 1858 die Zahlungsunfähigkeit der Saline, als die Osterwalder Bergwerksadministration am 4.6.1858 „auf höhere Anweisung“ den weiteren Kredit auf Kohlenbezug kündigte und die Rückzahlung der aufgelaufenen Forderung von 4.052 Talern, 10 ggr und 1 Pfennig „binnen vier Wochen“ forderte. Dies geschah, obwohl der Königliche Finanzminister im März 1856 den Kohlenbezug auf Kredit bis 1 Jahr nach Fertigstellung der neuen Saline mündlich zugesagt hatte. Ein Gesuch vom 8.6.1858 führte zu einem Forderungsverzicht von 2.552 Talern, 10 ggr und 1 Pfennig. Eine persönliche Vorsprache des Salzgräfen beim König brachte den Verzicht auf weitere 500 Taler. Die restlichen 1.000 Taler mußten bis zum 31.12. 1858 an die Osterwalder Bergwerkskasse gezahlt werden, was dann auch geschah.
6. Nicht mehr kreditwürdig. Das Ende der Saline
In der Zeit von 1860 bis 1866 wurden aus dem Geschäftsbetrieb (Saline, Badeanstalt, Sägemühle) zwar noch Überschüsse erzielt, aber unter Berücksichtigung der Verwaltungskosten und Schuldzinsen zuzüglich teilweiser Darlehenstilgung verblieb immer ein Minus, für das der Rechnungsführer / Salzgräfe zum Ausgleich der Bilanz von Jahr zu Jahr einen Zuschuß leistete. Eine vollständige laufende Tilgung der bestehenden Kapitalforderungen war nicht mehr möglich. So kam, was kommen mußte. Am 1.10.1865 wurden zwei Kredite von zusammen 2.625 Talern mit Zahlungsfälligkeit zum 1.4.1866 gekündigt.
Man versuchte alles, um das fehlende Kapital anderweitig als Darlehn oder gar durch eine spezielle Lotterie zu beschaffen – jedoch ohne Erfolg. Ob der „Deutsche Krieg“ von 1866 die Situation erschwerte, mag dahin gestellt bleiben. (Ursache für den Deutschen Krieg war der Streit zwischen Preußen und Österreich um die Vorherrschaft im Deutschen Bund. Er wurde zugunsten von Preußen entschieden. Das Königreich Hannover war Verbündeter Osterreichs. Die Hannoversche Armee kapitulierte bei Langensalza.)
Deshalb kam es am 1.6.1867 zu einem öffentlichen Verkaufsangebot im Salzhemmendorfer Ratskeller, wobei der Kaufpreis mindestens 12.000 Taler betragen sollte. Es gab aber keine Kaufinteressenten. Da ein Gläubiger auf gerichtlichem Zwangsverkauf bestand, setzte das Königliche Amtsgericht in Lauenstein den 5.10.1867 als Verkaufstermin an. Aufgrund seines gegebenen Ehrenwortes, das bei diesem Verkauf kein Gläubiger zu kurz kommen werde, bot der Salzgräfe Albrecht selbst einen Kaufpreis von 11.000 Talern. Außerdem war er bereit, zusätzlich noch bestehende Reallasten und Zinssalzverpflichtungen zu übernehmen. Niemand bot mehr, auch nicht beim zweiten und endgültigen Verkaufstermin am 31.10.1867. So wurde der Salzgräfe – wie er selbst berichtet – eigentlich gegen seinen Willen – Eigentümer des gesamten Salinenbetriebes. Das war auch das Ende der Salzgewerkschaft.
Der Alleineigentümer Albrecht schloß das noch im Betrieb befindliche „Lauen-Rusten-Oberkoth“ am alten Salinenplatz. Um die Sole der alten Quelle, die nicht für das Badehaus erforderlich war, für die Salzgewinnung weiter zu nutzen, ließ er eine Rohrleitung bis zur neuen Saline verlegen. Sie war über 5.000 Fuß lang und kostete 1.380 Taler, 20 gr. Letztendlich mußte aber die Salzproduktion wegen Unwirtschaftlickeit doch eingestellt werden. Das geschah am 31.12.1872. Das letzte Salz war am 24.1.1873 verkauft. Die Aufhebung der Salzsteuer erfolgte am 28.1.1873 – und war gleichzeitig das Ende der Salzhemmendorfer Saline.
7. Die Kreativität des Heinrich Albrecht blieb ungebrochen.
Heute würde man den Salzgrafen Heinrich Albrecht als „Macher“ bezeichnen. Er hatte nicht nur gute Ideen, sondern er setzte sie auch um.
- 1869 baute er im Gebäude der Sägemühle eine Dreschmaschine und eine Häckselschneidemaschine ein und betrieb sie ab 1870.
- Ab 1.1.1873 entstand im ehemaligen Salinengebäude auf dem Reuteranger ein Ziegeleibetrieb. Die „Wasserkunst“ – ein Wasserrad – betrieb die notwendige Tonquetschmaschine.
- Dort, wo bei der ersten Saline das „Lauen-Rusten-Oberkoth“ gestanden hatte, baute H. Albrecht im Jahr 1874 das Kurhaus.
- Hingegen verkaufte er das Badehaus am 1.2.1876 an Herrn Carl Meyer, Hannover.
- Als im Mai 1879 die Sägemühle abbrannte, begann der Wiederaufbau im Juni 1879 zugleich mit einer zusätzlichen Getreidemühle. Wie schon erwähnt, existiert dieser Mühlenbetrieb noch heute.
Zusammengefaßt von Friedrich Jordan, Lauenstein, im Sommer 2004
Quellen:
Geschichte der ehemaligen Saline zu Salzhemmendorf von Heinrich Albrecht, Salzhemmendorf / Hoya vom 22.3.1895 (letzter Salzgräfe in Salzhemmendorf)
Geschichte der ehemaligen Saline zu Salzhemmendorf von Oberbergrat Engels, Clausthal, in der Zeitschrift für Bergrecht, 22. Jg. 1881
Niedersächsisches Landesarchiv Hannover
Archiv des Oberbergamtes Clausthal
Archiv des Fleckens Salzhemmendorf